Das Morgenessen ist heute erst um 7:30 möglich. Das gibt mir Gelegenheit, bereits vorher alles einzupacken und sogar schon die Sonnencrème einzuschmieren. Denn es sieht wieder nach einem wolkenlosen, aber vorerst noch sehr kalten Tag aus.
Es gelingt mir, wieder einiges vor neun Uhr abzufahren. Chamonix scheint erst zu erwachen. Ausser einer Gruppe Pseudo(?)-Bergsteiger ist noch niemand unterwegs. Es ist kalt, so kalt dass der Fluss Arve, den ich wenige Meter vom Hotel entfernt, überquere, dampft. Die Strasse beginnt bald einmal zu steigen, schleicht den schattigen Felswänden entlang, verkriecht sich im Wald und macht dann endlich eine Spitzkehre auf die andere, die sonnige Seite des Tales hinüber.
Die paar hundert Höhenmeter lassen sich gut durchkurbeln. Dazu geniesse ich eine wunderbare Aussicht auf Teile des Mont-Blanc-Massivs. Die Passhöhe des Col des Montets liegt wieder im Schatten. Sie bietet auch keinerlei Aussicht irgendwohin. Es ist einfach ein grüner Sattel im Wald. Die Passfoto ist schnell geknipst und ich stürze mich in die Tiefe.
Durch ein enges, schattiges Tal, ein paar Ortschaften, Grenzübergang zur Schweiz, um eine Felswand herum. Dann kommt die erste Steigung für den Col de la Forclaz. Höchste Zeit, denn mittlerweile habe ich von der Kälte ziemlich erstarrte Füsse. Die haben nun Zeit, während dem steilen Anstieg auf die Forclaz, teils an der Sonne, teils im Wald, sich wieder aufzuwärmen. Die Forclaz ist spürbar steiler und auch etwas länger als der Montets.
Oben angekommen ist heute nicht viel los mit dieser grandiosen Aussicht, denn die Wolken oder der Nebel hat so ziemlich alle Berggipfel in Beschlag genommen. Ich fahre etwas in die Tiefe und versuche dort nochmals eine Foto vom Unterwallis zu machen. Aber es ist heute ziemlich dunstig, oder ich bin noch zu hoch, vielleicht sogar noch über dem Dunst?
Bei der Ankunft in Martigny werde ich wie erwartet vom bekannten Walliser-(Gegend)Wind erwartet. Ich kämpfe mich mal vorerst bis St. Maurice durch und kehre dort im Bahnhofrestaurant kurz ein. Bald geht es weiter in Richtung Genfersee.
(Ab wie viel Gegenwindstärke kann man eigentlich Höhenmeter rechnen?) Dennoch fressen meine Beine die Kilometer weg. Bex, Aigle, Villeneuve, Montreux, geschafft. Der Wind ist nun deutlich schwächer. Dafür gibt es ein paar schöne Ausblicke auf das Chateau Chillon.
In Montreux leitet mich mein GPS gut durch und möchte dann in Richtung Bahnhof abzweigen. Irgend einmal muss ich ja in die Höhe, also folge ich ihm: immer weiter, immer steiler, die wadtländer Rebberge hinauf. Spitzkehren und Kurven, kaum Verkehr. Ganz selten mal eine Verkehrstafel nach Bulle oder Fribourg. (Schön, wenn auch andere Leute das Gefühl haben, das könnte der richtige Weg sein.) Chalets, Quartierstrassen, Brunnen mit frischem Wasser, Hügel, Dellen, Bauernhöfe, Waldränder. Kein Mensch auf der Strasse. Irgendeinmal bekommt die Strasse wieder eine vernünftige Bemalung, Mittelstreifen, sogar am Rand wenigstens die Andeutung einer Markierung. Chatel St. Denis.
Ich gönne mir einen kurzen Blick auf das Schloss oder die riesige Kirche im Zentrum. Da mein Blick aber auf den Wegweiser nach Bulle fällt, fahre ich auch rasch wieder weiter. Für Kultur und Geschichte will ich mir jetzt gerade keine Zeit mehr nehmen. Es ist Übrigens brütend heiss. Die Sonne brennt von hinten regelrecht auf den Rücken und in den Hals.
Die hügelige Gegend geht noch eine Weile weiter, aber wenigstens mit sinkender Tendenz. Schon möglich, dass da mein GPS wieder einmal den kürzesten Weg von Montreux nach Bulle gefunden hat. Aber dass der kürzeste Weg auch immer der beschwerlichste sein muss!?
In Bulle irre ich noch etwas umher, bis ich mich für ein Hotel entscheiden kann. Als ich das GPS abstelle, meint es, dass der restliche Weg bis nach Hause noch etwa 160 Kilometer seien. Jedenfalls genug für einen Tag, aber zu wenig für zwei Tage. Hier im Hotel, gibt es morgens bereits ab 6:30 Morgenessen. Das könnte ja eine Chance sein, den Tag früh zu beginnen.
PS nach dem Nachtessen: wenn das Morgenessen gleich üppig wie das heutige Nachtessen sein sollte, dann schaffe ich es ja morgen bis weit über Bern hinaus. Mal sehen.